Hart bei Dackeln, weich bei Dealern - Görlitzer Park: Warum der Fall eines unangeleinten Hündchens ganz Berlin erregt
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aus der Preußischen Allgemeinen Zeitung vom 21.11.2014 von Norman Hanert
Wäre
Maria Wassermann an einem anderen Ort zu einem Verwarngeld verdonnert
worden, der Hauptstadtpresse wäre dies nicht einmal eine Randnotiz Wert
gewesen. Nun aber ist sie Stadtgespräch in ganz Berlin. Bereits im
Oktober hatte die junge Frau eine Anzeige erhalten. Sie war von zwei
Mitarbeitern des Ordnungsamtes und zwei begleitenden Polizisten im
Görlitzer Park mit ihrem Dackelmischling erwischt worden. Ihr Vergehen:
Das Tierchen war nicht angeleint. Dafür soll sie nun 35 Euro Verwarngeld
zahlen. Doch Wassermann weigert sich, sie habe ihren Hund ja nicht
durch den Park „geführt“, sondern sie habe mit ihm gesessen, so die
Frau.
In Rage bringt sie indes vor allem das Gefühl, angesichts der
Zustände in dem Park unverhältnismäßig behandelt zu werden. Es sind Ort
und Begleitumstände, die dem ganzen Vorgang tatsächlich Züge einer
Amtsposse verleihen. Während sich Joachim Wenz, der Leiter des
Kreuzberger Ordnungsamtes, nämlich rühmt, im Görlitzer Park die
Hundeproblematik „im Griff zu haben“, nehmen Parkbesucher die Grünfläche
mitten in Berlin inzwischen als rechtsfreie Zone wahr.
Zumeist
Schwarzafrikaner sprechen Passanten auf Schritt und Tritt sowie zu jeder
Tageszeit ganz offen an, ob sie Interesse an illegalen Drogen hätten.
Anders als harmlose Hundehalter brauchen die Dealer die Präsenz von
Ordnungshütern anscheinend nicht zu fürchten. Die Kriminellen wissen
inzwischen bestens Bescheid, wie sie den deutschen Rechtsstaat
austricksen können. Taucht eine Polizeistreife auf, wird seelenruhig
abgewartet, bis die Beamten vorbeigelaufen sind. Die Dealer tragen die
Drogen nicht bei sich, sondern haben Verstecke auf dem Parkgelände
angelegt. Ein ausgefeiltes Warnsystem lässt die Polizeiarbeit zusätzlich
ins Leere laufen.
Wie das konkret abläuft, hat die verwarnte
Hundehalterin geschildert. „Erst radelt der Drogenkurier auf dem
Fahrrad vorbei, dann folgt zügigen, aber keineswegs panischen Schrittes
das Dealer-Trio. Eine Minute später zieht schließlich die vierköpfige
Streife vorbei.“ Unter diesen Umständen ist es kaum verwunderlich, dass
Berlins Polizeiführung unlängst eingestehen musste, im Kampf gegen den
Drogenhandel im Görlitzer Park gescheitert zu sein.
Wie erst vor
Kurzem bekannt wurde, ist bereits Ende Oktober eine speziell
eingerichtete Ermittlergruppe gegen den im Görlitzer Park grassierenden
Drogenhandel klammheimlich wieder aufgelöst worden. Anlass, die Gruppe
aus Beamten des Abschnitts 53 und der Kripo im Mai zu gründen, war die
Erkenntnis, dass die Dealer im Park und seiner Umgebung auch durch
Körperverletzungen, Diebstähle und Betrügereien auffallen.
Nach
Angaben der „Berliner Zeitung“ leiteten die Fahnder 831
Ermittlungsverfahren ein. Am Ende blieb allerdings nur eine extrem
magere Erfolgsbilanz übrig: Die Polizeibeamten konnten lediglich neun
Haftbefehle erwirken. Das Ziel, viele Täter in Untersuchungshaft zu
bringen, sei „nur im Ansatz“ erreicht worden, so die verharmlosende
Umschreibung des Scheiterns durch Berlins Polizeipräsidenten Klaus
Kandt.
Medienberichten zufolge beklagen die Ermittler der
Sonderkommission „Görli“ mangelnde Unterstützung durch Polizeipräsidium
und Landeskriminalamt. Noch mehr im Stich gelassen fühlen dürften sich
die Ermittler allerdings vor allem durch Staatsanwälte und Richter, die
Tatverdächtige fast mit Garantie wieder auf freien Fuß setzen.
Die besorgniserregenden Auswirkungen dieser
Praxis hat ein Polizeibeamter gegenüber der „Berliner Morgenpost“
geschildert. Früher seien die aus Afrika stammenden Drogenhändler
wenigstens noch geflüchtet, aber „heute bleiben sie frech stehen und
beschimpfen uns, dass wir sie nur wegen ihrer Hautfarbe verfolgen
würden“. Der Eindruck, der sich angesichts dieser Entwicklung bei vielen
Bürgern einstellt, ist verheerend. Zu funktionieren scheint das
Rechtssystem nur noch, wenn es um Bagatelldelikte von Normalbürgern
geht: Seien es Bußgelder für Falschparken oder, wie im Görlitzer Park,
Verwarnungen für unangeleinte Hunde. Gleichzeitig müssen die Berliner
erleben, dass der Staat den Kampf gegen die schwere Kriminalität
weitgehend aufgegeben hat.
Das Scheitern von Polizei und Justiz
könnte eine Lawine losgetreten haben. Ausgehend vom Görlitzer Park
beginnt sich die Drogenszene inzwischen immer weiter im Bezirk
auszubreiten. Längst ist auch die benachbarte U-Bahnstation zu einem
Drogenumschlagsplatz geworden, entlang der U-Bahnlinie breitet sich die
Szene nun in Richtung Friedrichshain aus.
Am Görlitzer Park lässt
das hilflose Agieren der Polizei inzwischen die Gewalt eskalieren. Als
vorläufiger Tiefpunkt kann das Niederstechen von zwei polizeibekannten
Jugendlichen aus Guinea in der Nacht zum 15. November gelten.
Tatverdächtig sind ein türkischstämmiger Wirt und dessen Angestellter,
der möglicherweise versucht hatte, die Drogenhändler aus seinem Lokal zu
vertreiben. Wenige Stunden nach der Bluttat folgte die Rache der
Drogenszene: Eine Gruppe von fünf bis zehn Afrikanern drang in die Bar
des Türken ein und „zerlegte“ das Lokal. Nachdem bereits Fensterscheiben
eingeworfen waren und die Inneneinrichtung demoliert da lag, folgte
nach einigen Stunden der Versuch, das Lokal auch noch anzuzünden.
Von Afrikanern beschimpft: Polizeibeamte bei der Kontrolle mutmaßlicher Drogenhändler im Görlitzer Park. Bild: Davids
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